pte20080326021 Unternehmen/Wirtschaft, Handel/Dienstleistungen

Lidl ließ Mitarbeiter systematisch bespitzeln

Experten sehen Persönlichkeitsrechte und Datenschutz verletzt


Lidl gerät massiv in die Kritik (Foto: pixelio.de, Fionn Große)
Lidl gerät massiv in die Kritik (Foto: pixelio.de, Fionn Große)

Neckarsulm/Hannover (pte021/26.03.2008/12:35) Die deutsche Discount-Kette Lidl http://www.lidl.de hat offenbar monatelang die eigenen Filialmitarbeiter systematisch bespitzeln lassen und intimste Details aus deren Privatleben protokolliert. Wie stern.de heute, Mittwoch, berichtet, ließ der Lebensmitteldiscounter 2007 vor allem Beschäftigte in Niedersachsen bespitzeln sowie Mitarbeiter aus Rheinland-Pfalz, Berlin und Schleswig-Holstein vereinzelt abhören. Dem Bericht nach existieren mehrere Hundert Seiten interner Lidl-Protokolle, in denen jeweils mit Tag und Uhrzeit notiert ist, wann und wie häufig Mitarbeiter zum Beispiel auf die Toilette gingen, wer mit wem möglicherweise eine Liaison hat und wer nach Ansicht der Überwacher unfähig ist oder einfach nur "introvertiert und naiv wirkt".

"Für die Überwachung von Mitarbeitern gibt es nach den arbeits- und verfassungsrechtlichen Regelungen sehr restriktive Voraussetzungen, die eine Verhaltensüberwachung ausnahmsweise nur im konkreten Verdachtsfall ermöglichen. Eine allgemein pauschal durchgeführte und nicht zeitlich sowie inhaltlich befristete Ausspähung einer Vielzahl von Mitarbeitern ist rechtlich unzulässig. Der beschriebene Fall scheint eine weitergehende Dimension aufzuweisen, da hierbei die vom Bundesverfassungsgericht bestätigten und verfassungsrechtlich verankerten Persönlichkeitsrechte offenbar in erheblichem Maß beeinträchtigt wurden", sagt Stefan Kramer, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Sozius der Kanzlei Brüggehagen+Kramer http://www.diearbeitsrechtler.de , im Gespräch mit pressetext. Im vorliegenden Überwachungsfall geht der Experte davon aus, dass datenschutzrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden dürften.

Ersten Erkenntnissen zufolge hat die Video- und Tonüberwachung immer nach dem gleichen Muster funktioniert. Auf Anweisung installierten von Lidl beauftragte Detektive in den zu überwachenden Filialen meist zwischen fünf und zehn Miniaturkameras. Als Begründung für diese Maßnahmen wurde den Filialleitern erklärt, dass diese nötig seien, um Ladendieben auf die Spur zu kommen. Angesichts der Aufdeckungen zeigen sich sowohl die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di als auch der Bundesdatenschutzbeauftragte entsetzt und üben heftige Kritik an der Handelskette. Zwar sei man schon einiges von Lidl gewohnt, dennoch habe man von einem solchen Ausmaß noch nie etwas gehört, heißt es seitens der Gewerkschaft. Arbeitsrechtler bewerten die Protokolle als "in höchstem Maße skandalös".

Laut den Experten geht es bei der Überwachung nicht um Arbeits-, sondern vielmehr um systematisch durchgeführte Verhaltenskontrolle, die einen Verstoß gegen Artikel zwei des Grundgesetzes darstellt. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit wäre somit nicht länger unter Schutz gestellt, heißt es. Der zur Schwarz-Unternehmensgruppe gehörende Konzern verneint die Existenz der Protokolle nicht. Vielmehr bemüht sich Lidl zu erklären, dass diese "nicht der Mitarbeiterüberwachung, sondern der Feststellung eventuellen Fehlverhaltens dienen". Von den Protokollen die Privatsphäre betreffend, distanziert sich das Unternehmen im Nachhinein und verweist darauf, dass "Hinweise und Beobachtungen weder im Umgangston noch in der Diktion unserem Verständnis vom Umgang miteinander entsprechen".

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